Obsoleszenz oder warum Dinge einfach kaputt gehen müssen

Heute sind die Kneipen wieder leer, denn es ist Themenabend auf arte. Aber ich muss sagen, dass ich diesen Themenabend wirklich nur schwer ertragen kann. Und das heißt was, denn ich bin bildungs- und kulturbeflissen, ich ertrage wirklich viel.

Ich sehe „Kaufen für die Müllhalde“ und will wüten, toben, schreien – es ist dermaßen furchtbar, ich weiß nicht, wie ich es aushalten soll. Aber ich kann meinen Fernseher nicht aus dem Fenster werfen, ich will ja nicht, dass Unbeteiligte zu schaden kommen. Und ich kann mir keinen neuen leisten.

Es geht um Obszoleszenz, also die beabsichtigte Verkürzung der Lebensdauer von Produkten, damit die Leute mehr davon kaufen (müssen). Ich gebe zu, dass ich das Wort bisher auch nicht kannte. Wenn auch den Effekt: Immer gehen Dinge kaputt, von denen ich glaubte, das sie ewig halten müssten. Eine simple Glühlampe beispielsweise könnte über 100 Jahre halten, wenn man ihre Lebensdauer nicht künstlich verkürzen würde. Dazu musste es extra ein Kartell geben, das Herstellern empfindliche Strafen auferlegt hat, wenn sie es wagten, Glühlampen zu verkaufen, die nicht nach Plan kaputt gegangen sind.

Und das ist so ziemlich mit allen Produkten so, wenn es sich nicht gerade um Lebensmittel handelt, wobei diese in der Regel auch länger halten, wenn sie von guter Qualität sind. Es ist verrückt, jahrzehntelang haben Leute mühsam daran geforscht, wie Produkte schlecht gemacht werden können, damit man mehr davon verkaufen kann. Aber es ist kein ethisches Dilemma, wie die Dokumentation behauptet. Sondern ein wirtschaftliches, ein politisches, ein gesellschaftliches. Der Kapitalismus verlangt, dass immer mehr verkauft wird. Die Wachstumsgesellschaft braucht das, sonst kann sie ja nicht wachsen.

Dabei ist seit den Siebziger Jahren bekannt, dass es so nicht weiter gehen kann. Ja, es gibt wieder Lachse im Rhein. Wenn nicht gerade ein Säuretanker umkippt. Aber wie sieht das in anderen Ländern aus? Nur weil die westlichen Länder es mittlerweile schaffen, nicht nur ihren Ressourcenverbrauch, sondern auch ihren Müll, ihre Umweltzerstörung zu exportieren, ist das doch nicht aus der Welt! Jetzt vergiftet der Elektronikschrott die Kinder in Afrika und der Atommüll die in Russland. Ist das die bessere Welt, die den Besserbürgern im Westen vorschwebt, wenn sie von Nachhaltigkeit faseln?!

Ach Mann, und in der Diskussion nach der Dokumentation geht es natürlich wieder um den ach so mündigen Verbraucher, der nur die richtigen, die guten, die langlebigen Güter verlangen müsse. Dabei haben wir doch gerade gesehen, wie die Glühbirnen-Konstrukteure von der Narva aus dem Osten im Westen abgeblitzt sind, weil hier keine Glühbirnen gefragt waren, die 25 Jahre halten. Zwar werden uns nun die blöden teuren Energiesparbirnen aufgenötigt, die ein hässliches Licht machen, die teuer sind und auch noch total giftig – aber damit macht die Industrie offenbar genug Gewinn. Ich hab leider noch keine Energiesparlampe gehabt, die so lange gehalten hat, wie sie angeblich halten sollen. Aber was soll ich denn statt dessen kaufen?! Die guten Narva-Birnen gibt es ja nicht mehr!

Angeblich soll Wirtschaft ja dazu da sein, knappe Ressourcen effektiv zu nutzen. Einer der gängigsten populären Irrtümer. Das Gegenteil ist der Fall. Das einzige, wo Kosten gespart werden, ist am Arbeiter, der den ganzen Kram herstellen muss. Alles andere kann gar nicht teuer genug sein! Wo bleibt der allgemeine Aufschrei? Wie kann man die herrschende Ideologie, die gängige Produktionsweise überhaupt noch verteidigen, noch aufrecht erhalten wollen, wenn man sich einmal klar gemacht hat, wie menschenverachtend sie ist?

Nein, überflüssige Menschen landen hierzulande noch nicht auf dem Müll. Aber wenn man sich diese Farce anschaut, die gerade aufgeführt wird, weil die regierenden Parteien den Nutzlosen dieser Gesellschaft nicht mal die eigentlich beschlossenen 5 Euro im Monat gönnen, weil sie nicht einsehen, dass Leiharbeiter doch auch Menschen sind, die ihren Teil zum gesellschaftlichen Reichtum beitragen, um den sie noch viel dreister als die regulären Arbeiter geprellt werden – warum gibt es bloß ein paar dusslige Wutbürger, die um einen ollen Bahnhof, ein paar alten Bäume, ein ehemals besetztes Haus kämpfen, weil sie noch nicht kapiert haben, was eigentlich ihr Problem ist und keine Massen, die auf die Straße gehen, weil sie sich nicht mehr als Produktionsmittel, als Manörvriermasse, als nützliche Idioten missbrauchen lassen wollen?!

Über modesty

Akademisch gebildetes Prekariat. Zeittypische Karriere: anspruchsvolle Ausbildung, langwieriger Berufseinstieg, derzeit anstrengender, aber schlecht bezahlter Job mit unsicherer Perspektive. Vielseitige Interessen, Literatur, Film, Medien, Wissenschaft, Politik, Geschichte, Gesellschaft, Zeitgeschehen. Hält diese Welt keineswegs für die beste aller möglichen, hofft aber, dass sie besser werden kann. Möchte gern im Rahmen der bescheidenen Möglichkeiten dazu beitragen.
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12 Antworten zu Obsoleszenz oder warum Dinge einfach kaputt gehen müssen

  1. Pingback: Wie misst man Glück? | Gedanken(v)erbrechen

  2. A. K. schreibt:

    Die Glühlampe ist wirklich ein klassisches Beispiel. Den größten Teil meines Lebens hatte ich kaum Probleme mit ihr. Dann wurden die Energiesparlampen auf den Markt geworfen. Die wollte aber niemand haben, u. a. weil sie ein wirklich beschissenes Licht machten. Plötzlich fingen alle herkömmlichen Glühlampen an kaputtzugehen. Bei vielen löste sich das Glas von der Fassung, fiel auf den Boden oder den Tisch und zersplitterte. Eine Verletzungsgefahr wurde offenbar in Kauf genommen. Jüngstes Beispiel bei mir: von vier neuen Glühlampen der Marke Osram verreckten drei unmittelbar nach dem ersten Einschalten, die vierte am nächsten Tag. Eine fünfte von einem anderen Hersteller funktioniert dagegen einwandfrei, so daß ein Defekt der Leuchte als Ursache wohl ausscheidet. Na ja, inzwischen sind ja fast alle Glühlampen verboten. Demnächst werden die Verbraucher dann wahrscheinlich in Handschellen zum Zwangseinkauf in die Supermärkte geführt.

  3. modesty schreibt:

    Das stimmt allerdings. Aber die habens ja gut hingekriegt, dass nichts mehr so gut hält, dass man nicht dauernd was nachkaufen müsste. Insofern ist der Zwangseinkauf quasi schon ins Produkt eingebaut. Kapitalismus ist wirklich perfide…

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  6. Martin Schanbacher schreibt:

    Warum die 100 Jahre brennende Glühbirne ein sehr schlechtes Beispiel für Obsoleszenz ist

    Lang lebende Produkte sind ein wunderbares Ziel für Klimafreunde, dem ich auch zustimme. Meine Zustimmung gebe ich diesem Ziel allerdings nicht um jeden Preis. Der Preis für eine 100 Jahre brennende Glühbirne ist mir zu hoch und zu umweltschädlich.

    Der Grund warum ich dieses Ziel bei der Glühbirne ablehne ist in der Physik der Glühbirne zu finden. Eine Glühbirne produziert um so effektiver Licht, je höher ihre Glühfadentemperatur ist. Mit steigender Temperatur werden allerdings auch schneller die Atome aus der Glühwendel geschleudert. Dadurch reduziert sich ihre Lebensdauer erheblich.

    Die heute übliche Lebensdauer einer Glühbirne von 1000 Stunden könnte problemlos auf 100 Jahre verlängert werden. Wenn als Arbeitspunkt einer heute marktüblichen Glühbirne eine Spannung gewählt wird, die bei 59% des Betriebsspannung des heute gewählten Arbeitspunktes liegt, würde sich ihre Lebensdauer entsprechend verlängern.

    Bei diesem Arbeitspunkt sinkt allerdings der Wirkungsgrad der Glühbirne auf 34 % des Wertes, des heute üblichen Arbeitspunktes. Um genau so viel Licht zu erzeugen wie eine 100 Watt-Glühbirne, wären 295 Watt elektrische Leistung nötig.

    Eine aktuelle 100 Watt Glühbirne würde im Laufe eines Jahres also in 8766 Stunden 876,6 kWh Strom verbrauchen, also eine Stromrechnung von 210 Euro produzieren. Eine gleich helle Glühbirne, die 100 Jahre lebt, würde im Laufe eines Jahres 2.586 kWh Strom verbrauchen und damit eine Stromrechnung von 621 Euro produzieren!

    Ich vermute der Umwelt ist mehr gedient, wenn knapp 10 Euro in 8 zusätzliche „1000-Stunden-Glühbirnen“ investiert werden, als wenn 1709 kWh mehr Strom verbraucht werden. Eine 100 Jahre lang brennende Glühbirne, die so hell ist wie eine 100 Watt-Glühbirne würde im Laufe ihres Lebens
    258.597 kWh Strom verbrauchen, der bei heutigen Preisen 62.064 Euro kosten würde!

    Eine „1000 Stunden-Glühbirne“ würde dagegen „nur“ für 21.038 Euro Strom verbrauchen. Für die Differenz in Höhe von 41.026 Euro könnten wir recht locker die 876 zusätzlich benötigten Glühbirnen kaufen und wir könnten den Rest von dem gesparten Geld sinnvoller in 40 recht ordentliche „1000-Euro-Fahrräder“ investieren.

    Dieses Beispiel legt sogar den Gedanken nahe, dass es sich vielleicht sogar rechnen würde, eine Glühbirne so zu betreiben, dass sie nur 500 Stunden lebt. Dies ist der Fall, wenn der Betriebspunkt der Glühbirne auf eine 5,5% höhere Spannung gelegt wird.

    In diesem Betriebspunkt arbeitet die Glühbirne um rund 13 % effektiver. Eine Glühbirne mit 88,5 Watt würde den gleichen Lichtrom erzeugen wie eine 100 Watt Glühbirne. Innerhalb von 1000 Betriebsstunden könnten damit 11,5 kWh oder umgerechnet 2,76 Euro gespart werden. Davon könnten wir problemlos eine weitere Glühbirne für 1 Euro kaufen – aber wer will schon so oft Glühbirnen wechseln ?

    Und wie sehen die Zahlen für eine „2000-Stunden-Glühbirne“ aus ?

    Wird der Betriebspunkt auf 94,8% der Spannung gelegt, benötigt eine Glühbirne 10 % mehr elektrische Leistung um den gleichen Lichtstrom zu erzeugen. Innerhalb von 1000 Stunden werden also von einer so betriebenen Glühbirne, die gleich hell ist wie eine (inzwischen nicht mehr) aktuelle 100 Watt Glühbirne 10 kWh mehr Strom verbraucht, sie erhöht also die Stromrechnung um rund 2,40 Euro, dafür spart sie die Anschaffungskosten einer halben Glühbirne, also 0,50 Euro.

    Man könnte schon eine Weile darüber nachdenken …

    Aber vielleicht wäre es noch sinnvoller in der gleichen Zeit statt darüber nachzudenken etwas Geld zu verdienen und dieses dann in eine gute LED – Lampe investieren.

    Um Missverständnissen vorzubeugen, ich bin wirklich sehr für langlebige Produkte und für einen schonenden Umgang mit unserer Erde und ihren Rohstoffen. Leider ist oft schwer abzuschätzen welches Produkt am wenigsten schädlich ist.

  7. Pingback: Barbara Kube » Wissen ist Macht. Nichts wissen macht nichts?

  8. Gregor Schock schreibt:

    Obseleszenz !
    Diese Erfahrung hat ja sicher schon jeder gemacht. Kaum ist die Garantie abgelaufen, ist das Produkt kaputt. Mir ging es so mit dem SHARP Electronikorganizer so, der jeweils nach fünf Jahren den Geist aufgab

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