Das Armutszeugnis der Bundesregierung

Egal, welche Worte die Bundesregierung am Ende für ihr Armutszeugnis finden wird: An den Fakten wird sich nicht das Geringste ändern. Und die kennen alle, die davon betroffen sind: Die Einkommen gerade der Niedrigverdiener sind spürbar gesunken – und das wissen alle, die bei den ständig steigenden Lebenshaltungskosten damit auskommen müssen, egal was die FDP in den Bericht schreiben will. Und wer seinen ehemals gut bezahlten Job verliert, sieht sich in der Regel gezwungen, für weniger Geld zu arbeiten, wenn er oder sie denn überhaupt einen neuen Job bekommt. Und selbst einstige Gutverdiener fallen binnen eines Jahres auf Hartz-IV-Niveau, wenn sie keinen neuen Job finden – angesichts dieser Umstände ist man natürlich auch sehr viel schneller bereit, zu einem vergleichsweise niedrigen Lohn zu arbeiten, der einen aber immerhin noch vor Hartz IV schützt.

Dieses Bild wollte ich schon immer mal verwenden, freie Assoziationen erwünscht!

Das sind die strukturellen Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt, mit denen sich die Regierung brüstet. Deshalb verzichtet die Regierung jetzt auch auf den Hinweis, dass es den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährde, wenn selbst für Alleinstehende ein Vollzeitjob immer häufiger nicht mehr ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Gesellschaftlicher Zusammenhalt?! Gibt es doch gar nicht! Was soll dann bitte schön gefährdet sein?! Und auweh, was ist ein Gerechtigkeitsempfinden?! Haben wir noch nie was von gehört, das streichen wir mal lieber! Und so wurde auch gleich mitgestrichen, dass 2010 bereits vier Millionen Menschen für Bruttolöhne unter 7 Euro pro Stunde arbeiten mussten – darauf hat vermutlich Kristina Schröder bestanden, damit sie ihre Putzgutscheine für 6 Euro die Stunde durchbringen konnte. Wenn Mama für 7 Euro die Stunde arbeiten muss, bleibt dann wenigstens noch ein Euro brutto pro Stunde übrig. Da verzichtet frau doch gern aufs Betreuungsgeld!

Ich kann mir lebhaft vorstellen, was im FDP-geführten Wirtschaftsministerium vorgefallen ist: „He, die Verteilung des Vermögens ist viel ungleicher als früher!“ „Super!“ „Genau, das finden wir doch gut!“ „Da haben wir ganze Arbeit geleistet, unsere Wähler werden es uns danken!“ Und dann wird vielleicht einem aufmerksamen Referenten aufgefallen sein, dass die FPD keine relevanten Mehrheiten der Bevölkerung vertritt (die leider noch immer ein Wahlrecht hat), sondern eben nur die paar Hanseln, die von der zunehmenden Ungleichverteilung profitieren. Die immer weniger werden, wie ebenfalls im Bericht steht.

Vielleicht sollte sich die Bundesregierung einfach ein weniger armes Volk suchen?

Über modesty

Akademisch gebildetes Prekariat. Zeittypische Karriere: anspruchsvolle Ausbildung, langwieriger Berufseinstieg, derzeit anstrengender, aber schlecht bezahlter Job mit unsicherer Perspektive. Vielseitige Interessen, Literatur, Film, Medien, Wissenschaft, Politik, Geschichte, Gesellschaft, Zeitgeschehen. Hält diese Welt keineswegs für die beste aller möglichen, hofft aber, dass sie besser werden kann. Möchte gern im Rahmen der bescheidenen Möglichkeiten dazu beitragen.
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5 Antworten zu Das Armutszeugnis der Bundesregierung

  1. Runa schreibt:

    Ja. Ja, und ich denke es wird noch schlimmer…
    Heute las ich im Vorbeigehen an einem Kiosk die Headline der Bild:
    „Deutschen Rentnern geht es so gut wie nie…“ oder ähnlich ( sinngemäß). Ich frage mich wer das eigentlich noch alles ernst nimmt? Das ist ein Schlag ins Gesicht unserer Senioren. Wir werden ganz offen noch verhöhnt und vereimert. Es ist nicht zu fassen…
    Ich habe am Freitag meinen Job verloren. In einer Versicherung, die dicht macht ( ausländisch). Hatte 8,50 € Brutto. Jetzt muss ich wieder auf das Amt latschen, wollte das eigentlcih vermeiden. Aber mittlerweile denke ich mir: die wirklich Asozialen und Schmarotzer sitzen im Bundestag und Aufsichtsräte, in Zeitarbeiten und Führungsetagen. Banken und Börse.
    Asozial ist wer, der das Ganze noch unterstützt indem er für ein paar Euros seine Arbeitskraft verschleudert.
    Ich werde das sein, was ich eigentlich bin: Mama dreier Kids die mich am meisten brauchen, weil wir alleine sind. Ich kümmere mich jetzt nur noch um die Kinder. Basta 🙂
    Und da der Staat mir mein Geburtsrecht auf ein Stück Land und zur Selbstversorgung genommen hat – nun, dann muss er mich alimentieren 🙂
    Das Bild ist cool – mich erinnert es an meinen Vater, der arbeitete in einer Baufirma 🙂

    • modesty schreibt:

      ja, das wäre eigentlich das Mindeste, ein Stück Land zur Selbstversorgung zu bekommen – in Griechenland haben sie ja schon damit angefangen, genau das zu tun, damit die Leute nicht verhungern.

      Das mit den Rentnern habe ich auch gelesen – wobei ich selbst auch Rentner kenne, denen es finanziell verdammt gut geht. Was mich irgendwie auch wieder frustriert, weil ich mit meiner jährlichen Rentenauskunft ja ständig unter die Nase gerieben bekomme, dass ich, wenn ich tatsächlich noch bis 67 durchhalten sollte, gerade mal so eine Rente zusammenschuften kann, die knapp über der Grundsicherung liegt – obwohl ich inzwischen bei 17,50 Euro brutto bin. Was auch nicht toll ist als Akademikerin mit jeder Menge Berufserfahrung in einer Führungsposition. Aber als alleinerziehende Mutter nimmt frau ja alles, was besser ist als Hartz IV. Dir und den Kinder alles Gute!

  2. Alfred Casimir schreibt:

    Ja,ja ich bin so ein Rentner.
    Hab heute mittag mal eine Exeltabelle gemacht.
    Am 1.12 darf ich beginnen 160 Euro auszugeben.

    Und im Januar weiss ich noch nicht, wieviel es dann jeden Monat ist.

    Fröhliche Weihnachten

  3. KHM schreibt:

    Ankündigung einer Diskussionsveranstaltung des GegenStandpunkt in Nürnberg:

    Armut in Deutschland
    – und was der Armutsbericht der Regierung daraus macht

    http://www.contradictio.de/blog/archives/5081

  4. KHM schreibt:

    Gegenargumente f. FRO – Sendung vom 17.05.2014:

    1. Armut: Was sie ist und wie sie ideologisch verarbeitet wird –
    Dass sie nicht vom Himmel fällt, weiß jeder, woher sie wirklich kommt, aber kaum einer.

    2. Die USA, das Völkerrecht und die „Regionalmacht“ Russland

    Mitschnitt:

    http://cba.fro.at/259507

    Skript zum ersten Thema:

    http://www.gegenargumente.at/radiosend/radiosend_14/armut_2014.htm

    Armut: Was sie ist und wie sie ideologisch verarbeitet wird –
    Dass sie nicht vom Himmel fällt, weiß jeder, woher sie wirklich kommt, aber kaum einer.

    These 1: Armut ist nicht Knappheit an Geld – Armut gibt es, weil sich alles ums Geld dreht

    Armut ist Ausschluss vom Reichtum und nicht Mangel an Zutrittsmittel zum Reichtum, an Geld. Das Zutrittsmittel Geld braucht man überhaupt nur, weil man vom Reichtum ausgeschlossen ist.

    These 2: Armut ist nicht das Resultat falscher Verteilung des Reichtums

    These 3: Arm sind die Menschen nicht „trotz Arbeit“, sondern wegen des Zwecks, für den gearbeitet wird

    – Der Lohn ist die negative Größe der Wirtschaft

    These 4: Grund der Armut ist der Profit und nicht die Profitgier

    These 5: Grund der Armut ist nicht die Arbeitslosigkeit

    These 6: Armut ist keine Unterlassungssünde des Staates

    a. Von wegen der Staat wäre untätig – wie der Staat für Armut sorgt…

    b. … und wie er mit den negativen Wirkungen umgeht: Der Sozialstaat

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