Ungleichheit macht krank und unglücklich

Die Ideologen der Freiheit werden es nicht gern hören. Denn Freiheit, so behaupten sie, gebe es nur, wenn man auf die Gleichheit verzichte. Nun gibt es aber handfeste Belege dafür, dass Ungleichheit krank und unglücklich macht. Die Epidemiologin Kate Pickett und der Sozialforscher Richard Wilkinson haben in einer groß angelegten Untersuchung herausgefunden, dass es den Leuten in Ländern mit großen sozialen Unterschieden im Durchschnitt schlechter geht, als in Ländern, in denen die Unterschiede zwischen arm und reich weniger ausgeprägt sind. Das Interessante ist vor allem, dass das wirklich alle betrifft: Den Reichen in den Ländern mit mehr Ungleichheit ginge es letztlich auch schlechter, weil das allgemeine Lebensgefühl von mehr Gewalt, mehr gesundheitlichen Problemen usw. geprägt sei.

Wenn also wenige Reiche immer reicher werden und immer mehr Arme noch ärmer, führt das in der Folge dazu, dass es insgesamt mit dem Lebensstandard und mit der Lebenserwartung bergab geht: Mehr Ungleichheit führt zu mehr Gewalt, zu mehr Verbrechen, zu ungesunderer Lebensweise. In den USA und in Großbritannien, wo in den vergangenen Jahrzehnten die Ungleichheit stark zu genommen hat, ist das besonders deutlich zu beobachten. In Ländern, die sich mehr um einen sozialen Ausgleicht bemühen, geht es den Menschen im Durchschnitt besser.

Pickett und Wilkinson plädieren in ihrem Buch Gleichheit ist Glück dabei keineswegs für eine Abkehr vom Kapitalismus, wohl aber für geringere Einkommensunterschiede. So wäre es für die meisten Menschen absolut in Ordnung, wenn der Chef etwas mehr verdient als seine Angestellten. In den USA sei es aber durchaus an der Tagesordnung, dass der Chef eines großen Unternehmens 50 oder gar 100 Mal mehr verdiene als seine Angestellten, im Finanzbereich sei das Missverhältnis noch krasser. Solche Missverhältnisse seien extrem schädlich. Dabei sei zu großer Ungleichheit relativ einfach abzuhelfen, etwa durch kooperativen Unternehmensbesitz, starke Gewerkschaften und mehr Mitarbeiterbeteiligung in der Unternehmensführung.

Über modesty

Akademisch gebildetes Prekariat. Zeittypische Karriere: anspruchsvolle Ausbildung, langwieriger Berufseinstieg, derzeit anstrengender, aber schlecht bezahlter Job mit unsicherer Perspektive. Vielseitige Interessen, Literatur, Film, Medien, Wissenschaft, Politik, Geschichte, Gesellschaft, Zeitgeschehen. Hält diese Welt keineswegs für die beste aller möglichen, hofft aber, dass sie besser werden kann. Möchte gern im Rahmen der bescheidenen Möglichkeiten dazu beitragen.
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2 Antworten zu Ungleichheit macht krank und unglücklich

  1. Pingback: Ungleichheit produziert Konformität | Gedanken(v)erbrechen

  2. KHM schreibt:

    Die Gruppe Jimmy Boyle Berlin lädt am Dienstag, 5. November 2013 um 19:00 Uhr ein zu einer Veranstaltung in die Erreichbar, Reichenberger Str. 63a (2. HH, Kellereingang auf der Rückseite),
    Berlin.

    Thema: Kritik der Hirnforschung

    „„Keiner kann anders, als er ist“, „Verschaltungen legen uns fest“ – das wollen Hirnforscher mit objektiven und präzisen Methoden der Naturwissenschaft herausgefunden haben. Komisch nur, dass es demzufolge nicht sie selbst, sondern ihre festverschalteten Gehirne waren, die das geleistet haben. Wenn sie an der eigenen Erkenntnis aber festhalten, dann hätten sie auch ihr Funktionsprinzip durchschaut und somit zugleich widerlegt.

    In der Veranstaltung soll das genauer ausgeführt werden. Es soll gezeigt werden, dass die Position der Hirnforscher selbstwidersprüchlich ist. Daran anschließend soll diskutiert werden, warum das Abstreiten der Willensfreiheit dennoch und andere Neurowissenschaften (populär-)wissenschaftlich so großen Widerhall finden.“

    http://gegen-kapital-und-nation.org/kritik-der-hirnforschung

    Literaturtipps:

    Freerk Huisken: „Der Mensch ist der Sklave des Gehirns!“
    behaupten Hirnforscher. — Schon wieder eine Aufforderung an seinem Verstand zu zweifeln, statt ihn zu benutzen (2006)

    http://www.fhuisken.de/loseTexte.html

    http://www.fhuisken.de/Hirnforschung05.rtf

    und

    Suitbert Cechura: Kognitive Hirnforschung
    Mythos einer naturwissenschaftlichen Theorie menschlichen Verhaltens

    „Kognitive Hirnforschung begründet eine neue Ideologie. In dieser werden Ergebnisse aus der Naturwissenschaft dazu benutzt, die Ergebnisse der bürgerlichen Konkurrenz biologisch zu erklären und damit als naturgegeben zu behaupten.

    Ausgangspunkt dieser Analyse ist die kontroverse öffentliche Diskussion um die Existenz des freien Willens. In seiner auch für naturwissenschaftliche Laien verständlichen Auseinandersetzung mit Autoren wie Roth, Singer, Spitzer, Damasio, Kandel u.a. zeigt Cechura auf, dass ihre These, der menschliche Wille sei nicht frei, nicht das Ergebnis ihrer Forschung, sondern ihr Dogma ist, das den Ausgangspunkt ihrer Theorien bildet. Mit der Erfindung des Bestimmungsverhältnisses des Menschen durch sein Organ Gehirn formulieren sie psychologische Theorien und Konstrukte um und verwandeln diese in biologische Gegebenheiten. Der Mensch wird zum Informationsverarbeitungsmechanismus, der sich nur in seiner Komplexität von einer Schnecke oder einem Salamander unterscheidet.

    Brisanz erhalten diese Thesen, weil die kognitive Hirnforschung als neue Leitwissenschaft antritt. Das von ihr entworfene Menschenbild zeichnet sich dadurch aus, dass zwischen dem Überlebenskampf im Urwald und dem in der Konkurrenz der kapitalistischen Gesellschaft kein Unterschied gemacht wird. Die Ergebnisse der Konkurrenz sind somit nicht das Ergebnis dieses Kampfes, der immer Gewinner und Verlierer kennt, sondern der unterschiedlichen individuellen Verschaltung im Gehirn – eine affirmative Sichtweise, die auch für die Bildungsdebatte und die Ausrüstung des Nachwuchses für den künftigen Erfolg im internationalen Wettbewerb instrumentalisiert wird.“

    http://www.vsa-verlag.de/index.php?id=6576&tx_ttnews%5Btt_news%5D=10166

    Klicke, um auf VSA_Cechura_Kognitive_Hirnforschung.pdf zuzugreifen

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