In vier einfachen Schritten zur Revolution

Im Hintergrund fand ich eine Anleitung für die USA, wie sie in vier einfachen Schritten für ihre arbeitenden Einwohner wieder zum „Dritte-Welt-Land“ wird. Also zu einem Land, in dem Menschen um beschissene Jobs mit schlechter Bezahlung konkurrieren, um irgendwie zu überleben. Schritt Eins ist die Zerstörung der einheimischen Industrie, in deren modernen Großbetrieben Arbeiter für ihren Job anständige Löhne erhielten. Auf diese Weise konnte die gutverdienende Mittelschicht in den USA überhaupt entstehen, die in den hier beschriebenen Schritten erst abgemolken und dann der Verelendung preisgegeben wird. Präsident Ronald Reagan stieß in den 1980er Jahren mit seinen Reagonomics die Globalisierung von Wirtschaftsprozessen an, dank derer nun weite Teile einstiger US-Industriezentren still gelegt wurden und nun brach liegen.

Treppe U-Bahn Berlin

Dieser Aufstieg ist für alle möglich. Wir müssen nur aufwärts gehen!

Schritt Zwei war das Abmelken der Mittelschicht: Die Arbeiter und Angestellten der US-Mittelschicht produzierten durch die Verlagerung der Produktion ins billigere Ausland keine hochwertigen Gebrauchsgüter mehr, sondern bedienen ihresgleichen in Billigrestaurants oder zocken sie als Versicherungsvertreter oder Anlageberater ab. Aber mit den neuen Niedriglöhnen lässt sich auch ein bescheidenes Mittelschichtleben nicht mehr finanzieren – die Leute überziehen ihre Kreditkartenkonten und nehmen Hypotheken auf ihre Häuser aus – in den USA mietet man nicht, man kauft. Können sie die Hypothek nicht mehr bedienen, geht ihr Haus an die Bank. Aus der selbstbewussten US-amerikanischen Mittelschicht entsteht eine neue Klasse der Working Poor – über 50 Millionen Menschen sind im reichsten Land der Welt auf Lebensmittelmarken angewiesen, um nicht zu verhungern, weitere zig Millionen verdienen mit zwei, drei Jobs gleichzeitig gerade genug zum Überleben.

Schritt Drei ist der Import des Vermögens ins Ausland – die USA müssen nun Waren importieren, die früher dort hergestellt wurden. Die Gewinne, die früher lokal investiert wurden, fließen nun ins Ausland. Konjunkturpakete, die den Konsum in den USA ankurbeln sollen, um Arbeitsplätze zu schaffen, haben nicht mehr den gewünschten Erfolg, weil die Konjunktur höchstens dort angekurbelt wird, wo die Fernseher, Möbel oder Kleider, die die Amerikaner kaufen, hergestellt werden – und das ist nicht in den USA. Den Reibach machen die Hersteller im Ausland.

Damit kann Schritt Vier erfolgen – die Rekolonialisierung. Ausländische Investoren beginnen nun, ihre Produktion wieder in die USA zu verlagern, weil die Löhne dort inzwischen so weit gesunken sind, dass sich die Produktion dort auch unter globalisierten Bedingungen wieder lohnt. Außerdem spart man die Transportkosten, wenn man vor Ort produziert. Foxconn beispielsweise will den US-amerikanischen Niedriglohnmarkt künftig nutzen – dann werden unter anderem die beliebten elektronischen Erwachsenen-Spielzeuge von Apple wieder in den USA hergestellt. Sicherlich nicht unter ganz so furchtbaren Bedingungen wie in China, aber lustig wird es für die Arbeiter in den USA gewiss auch nicht. Auch die schwedischen Spar-Genies von Ikea lassen mittlerweile in Virginia produzieren und der deutsche Autobauer Volkswagen hat ein Werk in Tennessee eröffnet. Jetzt ist der Punkt erreicht, wo die US-Arbeiter mit den Arbeitern in den Ausbeuter-Betrieben auf der ganzen Welt konkurrieren können bzw. müssen, um zu überleben. Was die US-Wirtschaft bisher in anderen Teilen der Welt erfolgreich angewandt hat, ereilt nun einen Großteil der US-Bevölkerung.

Es ist kein Zufall, wenn man sich bei dieser Geschichte an die Entwicklung hierzulande erinnert fühlt. Genau diese Schritte finden auch in Deutschland statt, hier haben 16 Jahre unter dem CDU-Kanzler Helmut Kohl für eine entsprechende Grundlage gesorgt. Allerdings hat die Kannibalisierung der DDR-Wirtschaft die Entwicklung für Gesamtdeutschland ein paar Jahre gebremst, wobei der Osten die Deindustrialisierung im Zeitraffer erleiden musste, während die Betriebe im Westen am Abbau Ost noch einmal gut verdienen konnten.

Dank der rotgrünen Agenda 2010 kann Schritt Vier allerdings wieder im Gleichschritt der Weltwirtschaft erfolgen – der deutsche Niedriglohnsektor ist bekanntlich hervorragend ausgebaut. Und dank der Finanzkrise beneiden Griechen, Spanier und Portugiesen die Deutschen noch um ihre beschissenen Billigjobs! Das ist die Kehrseite der Globalisierung – genau wie es in Indien, China und bestimmt auch in Thailand und Bangladesh jetzt immer mehr Unternehmer gibt, deren Reichtum sich immer schneller vermehrt, so gibt es jetzt auch in den USA und Europa wieder jede Menge bitterarmer Billigjobber, die mit ihresgleichen überall auf der Welt um die erbärmlichsten Jobs konkurrieren, damit sie überleben können.

Ja, noch sind die USA und auch die Länder der EU im Vergleich ganz gut dran. Aber das wird nicht mehr lange so bleiben. Denn nach Schritt Vier kommt erstmal nichts mehr – in einer globalisierten Welt der totalen Konkurrenz aller gegen alle wird die Überakkumulation der Kapitale immer rasanter – wir haben bereits jetzt die Situation, dass riesige Vermögen auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten um den ganzen Globus vagabundieren und wie schwarze Löcher Geld aufsaugen. Dabei wird alles zum Geschäftsmodell: Wirtschaftsnobelpreisträger finden nichts dabei, Kleinkredite an die Ärmsten der Armen auszugeben, und dafür horrende Zinsen von 15 oder 20 Prozent zu verlangen. Und das wird als Wohltätigkeit gefeiert – weil ja sonst niemand Tagelöhnern überhaupt Kredit gibt! Das ist auch nicht viel anders als das Geschäftsmodell der mexikanischen Wegelagerer, die durchreisenden Flüchtlingen auf dem Weg in die USA ihre Spargroschen samt dem Kleiderbündel stehlen und die Ärmsten in der Wüste ihrem Schicksal überlassen. Wer sich über diese Zustände aufregt, sollte sich klar machen, dass genau so Kapitalismus funktioniert. Selbst aus Geburt und Sterben werden heute Geschäftsmodelle gestrickt, und wer das – völlig zu Recht – unerträglich findet, sollte für einen Systemwechsel aufstehen. Diese Welt ist schlecht, daran besteht kein Zweifel. Aber kein Gott und kein Unternehmensberater wird das für uns besser machen. Das müssen wir schon selbst tun.

In vier einfachen Schritten zur Revolution

Schritt Eins: Nachdenken.
Schritt Zwei: Nicht mehr mitmachen wollen.
Schritt Drei: Es anders machen wollen.
Schritt Vier: Es anders machen.

Es wäre so einfach. Ich mag Gewalt und Blutvergießen nicht.

Aber ich habe verdammt noch mal keine Lust, ständig für andere zu arbeiten. Ich arbeite echt gern – ich denke, das habe ich mit vielen gemeinsam. Und ich gehe davon aus, dass ihr alle auch nicht für euern Chef arbeiten wollt, oder für euren Abgeordneten oder für wen auch immer, sondern für euch, und die Leute, die ihr mögt. Meinetwegen auch für euch selbst, da ist gar nichts falsch dran. Aber so läuft es halt nicht. Und das müssen wir ändern.

Über modesty

Akademisch gebildetes Prekariat. Zeittypische Karriere: anspruchsvolle Ausbildung, langwieriger Berufseinstieg, derzeit anstrengender, aber schlecht bezahlter Job mit unsicherer Perspektive. Vielseitige Interessen, Literatur, Film, Medien, Wissenschaft, Politik, Geschichte, Gesellschaft, Zeitgeschehen. Hält diese Welt keineswegs für die beste aller möglichen, hofft aber, dass sie besser werden kann. Möchte gern im Rahmen der bescheidenen Möglichkeiten dazu beitragen.
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9 Antworten zu In vier einfachen Schritten zur Revolution

  1. Florian Geyer schreibt:

    Ich habe noch nie, noch nie, wirklich noch nie einen so prägnanten und scharfen Bericht über die Muster und Auswirkungen der „besten Wirtschaftsform“ gelesen. Großartige Arbeit. Hut ab. Und weiter so.

  2. Alfred Casimir schreibt:

    ich auch nicht.
    den Artikel werde ich auf die Reise schicken
    Gruss aus dem Saarland

  3. landbewohner schreibt:

    „Aber ich habe verdammt noch mal keine Lust, ständig für andere zu arbeiten. Ich arbeite echt gern – ich denke, das habe ich mit vielen gemeinsam. Und ich gehe davon aus, dass ihr alle auch nicht für euern Chef arbeiten wollt, oder für euren Abgeordneten oder für wen auch immer, sondern für euch, und die Leute, die ihr mögt. Meinetwegen auch für euch selbst, da ist gar nichts falsch dran. Aber so läuft es halt nicht. Und das müssen wir ändern.“

    das ist zwar richtig, aber selbstverständlich wird es immer eine grosse zahl von abhängig beschäftigten geben müssen, da ja nun nicht jeder sich selbst seinen vw zusammenbasteln kann und es auch im öffentlichen dienst notwendige arbeitsplätze gibt – feuerwehrleute zum beispiel oder lokführer . und diesen leuten stehen natürlich die gleichen lebens- und arbeitsbedingungen zu wie den selbstständigen. dazu braucht es nur „demokratische verhältnisse“ in der arbeitswelt, d.h. diejenigen, die die leistungen erbringen, bestimmen über produktions- und arbeitsbedingungen, über entlohnung und investitionen etc. und nicht akademische fachidioten mit parteibuch oder geldgierige egomanen mit „nichtstuer-ausbildung“.
    ansonsten: guter artikel.

    • modesty schreibt:

      In meiner besseren Gesellschaft gäbe es keine „abhängig Beschäftigten“, weil die Betriebe den Leuten gehören würden. Dann könnten auch nicht irgendwelche „Selbstständigen“ entscheiden, ob dieser oder jener Betrieb zugemacht wird, wie jetzt die Opelwerke in Bochum. Natürlich braucht es jede Menge Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, also im Dienst an der Gesellschaft, aber auch die müssten nicht abhängig sein in dem Sinne sein, dass die Leute nichts zu sagen hätten. Im Gegenteil: Genau bei diesen Arbeitsplätzen wäre es richtig gut, wenn souveräne, gut ausgebildete und hochmotivierte Leute den jeweiligen Job machen würden, nicht weil sie die Kohle brauchen (was ja die eigentliche Abhängigkeit ist, die aber in der besseren Gesellschaft wegfällt), sondern weil sie ihren Job gut können. Was wären das für fantastische Lehrer, Krankenschwestern, Müllwerker, Ärztinnen, Feuerwehrleute, Lokführerinnen oder was auch immer! Und selbstverständlich würde die Gesellschaft alles tun, damit sie optimale Arbeitsbedingungen hätten, weil es dann allen sehr viel besser ginge!

  4. artikulant schreibt:

    Die, die wirklichen Werte schaffen,
    sind keine Konzernbosse, keine Unternehmer, keine Aufsichtsräte, keine Manager, keine Banker, keine Investoren, keine Richter, keine Anwälte, keine Polizisten, keine Soldaten und schon gar keine Staatsoberhäupter, KanzlerInnen oder Politiker-HampelmännInnen.

    Es sind alleine die Arbeiter, die wirkliche Werte schaffen. Aber sie haben von diesen geschaffenen Werten nichts, weil obige Schmarotzer klüger sind als sie, und auch alles dafür tun das das auch so bleibt. Diese „Klugheit“ wird in verbrecherischer Weise eingesetzt. Es geht nicht um Bildung, sondern um Verblödung. Um Verblödungsfernsehen und VerBILDungslesen.
    Darum mE ein Sinneswandel ein fast aussichtsloser Prozess. Es ist wie Schwer-Heroinsüchtigen die Sucht abzugewöhnen.
    Sie würden lieber sterben, als der Realität ins verweinte Auge zu blicken.

    Sehr guter Artikel!

  5. Habnix schreibt:

    Nur über Selbstversorgung so weit wie möglich geht eine erfolgreiche und gewaltlose Revolution.

    Alles was man sich selbst machen kann brauch man nicht zu kaufen.
    Ob nun Strom,Wasser,Nahrung alles soweit wie möglich.So das man keine Mehrwertsteuer zu zahlen brauch.

  6. Frank Schönwetter schreibt:

    Hut ab..genialer Artikel! Genau so machen wir es jetzt…und los gehts, ich mach das schon länger so und es tut so gut sag ich Euch allen…seitdem fühle ich auch wieder mein Herz immer lebendiger werden und meine innere Kraft nimmt von Tag zu Tag zu und das ist einfach unbeschreiblich geil.
    Apropos Revolution…Hier hab ich noch einen tollen Brief zum Lesen für Euch, hier ist er als PDF dowmloadbar…damit sind die Jobcenter nun Schachmatt gesetzzt würd ich mal so sagen:
    http://www.nachrichtenspiegel.de/2012/12/10/offener-brief-am-tag-der-menschenrechte-an-herrn-heinrich-alt-vorstand-grundsicherung-der-bundesagentur-fur-arbeit/
    Hezliche Grüße vom aktiven bayerischen Widerständler gegen das menschenverachtende Hartz 4 System
    Frank Schönwetter

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