No Twitter No Facebook No Bullshit!

Gern gebe ich zu, dass ich von dem Medienbeben rund um die Thesen des Kolumnisten Malcolm Gladwell, der für das Magazin The New Yorker schreibt (ich weiß nicht mal, schreibt er da tatsächlich Kolumnen?) bislang gar nichts mitbekommen habe. Dabei hat er etwas geschrieben, was ich selbst auch behaupten würde. Nämlich, dass Facebook und Twitter die Welt nicht verbessern können. Dazu gibt es einen interessanten Artikel im Freitag, den ich hier kurz zusammenfassen möchte.

Zwar könnten soziale Netzwerke für bestimmte Sachen nützlich sein, etwa um Gleichgesinnte auf bestimmte Veranstaltungen hinzuweisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen, das mit „schwachen Banden“ gelöst werden kann. Jeder kennt inzwischen die Aufrufe, um passende Knochenmarksspender zu finden oder ähnliches. Aber diese virtuelle Beteiligung könne keine „kollektive Leidenschaft“ entstehen lassen, aus der heraus sich einzelne dann wieder entscheiden, sich in einer Form zu engagieren, die zu gesellschaftlichen Veränderungen führt oder zumindest führen könnte. Bei einem Sit-In mitzumachen sei am Ende doch viel mehr als einfach mal bei Facebook den „Gefällt mir“-Button anzuklicken. Die Wirkung solcher Bekundungen sei so verschwindend gering wie das eingegangene Risiko. „Der Facebook-Aktivismus kann die Menschen nicht motivieren, ein echtes Opfer zu bringen, sondern er bringt sie dazu, eben die Dinge zu tun, die man dann tut, wenn man nicht motiviert genug ist, um ein echtes Opfer zu bringen.“

Endlich hat mal einer mein Unbehagen angesichts rasant wachsender „sozialer Netzwerke“ in Worte gefasst – ich finde es ja immer schön, etwas zu lesen, von dem ich dachte, dass ich das irgendwie mal aufschreiben müsste, wenn ich denn dazu käme. Mit so einer grandiosen Vorlage ist es viel einfacher, sich einen Ruck zu geben.

Das Soziale an sozialen Netzwerken ist ja wohl vor allem der Gruppendruck. Wenn man nicht mit macht, kriegt man angeblich nichts mehr mit, verpasst die ganze tolle digitale und reale Welt da draußen. Na und?

Zum Glück gibt es ja auch immer mal ein paar Rohrkrepierer. Ich kann mich dunkel an etwas erinnern, das Google Buzz hießt. Kaum war das online, gab es die ersten die sich überschlugen: Wie geil ist das denn! Twitter ist tot!

Und? Hat nochmal jemand was von Google Buzz gehört? Ich hab nicht mal ein aktives G-Mail-Konto. Warum sollte ich einem Google mehr über den Weg trauen als einem Zuckerberg? Ich hab eigentlich nichts gegen Mark Zuckerberg, den kenne ich ja gar nicht. Aber ein Facebook-Konto brauche ich deshalb noch lange nicht. Man muss doch nicht bei jedem Scheiß mitmachen, bloß weil alle anderen das tun. Und ich muss mich doch sehr wundern, dass da eine unkritische Schafherde ganz begeistert blökt, wie toll das alles ist – als ob seine Freunde im wahren Leben nicht einfach mal anrufen könnte, wenn man wissen will, wie es ihnen geht. Oder ein E-Mail schreiben. Ich hab ja nichts gegen elektronische Medien. Im Gegenteil. Ich hab nur was dagegen, wenn sie das „echte Leben“ ersetzen sollen.

Auch das hat Malcolm Gladwell wunderbar zusammen gefasst: Er schrieb als Erwiderung auf die Empörung der „Digerati“, die sich über seine ketzerischen Thesen aufgeregt hatten: Was ihn wahnsinnig mache, sei, dass sie „sich weigern zu akzeptieren, dass gesellschaftliche Probleme existieren, für die es keine technische Lösung gibt. Die Technik wird das Energieproblem lösen. Davon bin ich überzeugt. Aber sie kann nicht das Problem der Dynamik lösen, die den ‚menschlichen‘ Problemen zugrunde liegt: Sie macht es nicht einfacher zu lieben oder zu motivieren, zu träumen oder zu überzeugen.“

Über modesty

Akademisch gebildetes Prekariat. Zeittypische Karriere: anspruchsvolle Ausbildung, langwieriger Berufseinstieg, derzeit anstrengender, aber schlecht bezahlter Job mit unsicherer Perspektive. Vielseitige Interessen, Literatur, Film, Medien, Wissenschaft, Politik, Geschichte, Gesellschaft, Zeitgeschehen. Hält diese Welt keineswegs für die beste aller möglichen, hofft aber, dass sie besser werden kann. Möchte gern im Rahmen der bescheidenen Möglichkeiten dazu beitragen.
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